Der einzige Überlebende berichtet:
das Innenleben eines nordkoreanischen Foltercamps
Shin Dong-hyuk wurde 1982 in dem Internierungslager Kaech'ŏn in Nordkorea geboren. Hunger, Zwangsarbeit, Folter und öffentliche Hinrichtungen gehörten seither zu seiner Realität. Kontakt zur Außenwelt, Aussicht auf Entlassung oder normale menschliche Beziehungen waren in dem Lager für politische Gefangene nicht vorgesehen. 2005 gelang Shin als bisher einzigem Menschen die Flucht aus dem Lager. Seither setzt er sich für Menschenrechte in Nordkorea und die Freilassung seines Vaters ein.
In seinem 2012 erschienenen Buch „Escape from Camp 14: One Man's Remarkable Odyssey from North Korea to Freedom in the West" und dem Dokumentarfilm „Camp 14 – Total Control Zone" Shin Dong-hyuk einen erschütternden Augenzeugenbericht vom Innenleben des Strafgefangenenlagers ab, in dem er geboren wurde und bis zu seinem 24. Lebensjahr lebte. Sein Vater bekam seine Mutter als Belohnung für gute Zwangsarbeit. Seit seiner Geburt wuchs Shin mit der Wirklichkeit des Lagers auf und nahm dessen grausame Regeln als selbstverständlich hin.
Eine sofortige Erschießung sei bei Missachtung dieser 10 Grundregeln des Lagers zu erwarten gewesen, so Shin:
1.) Man darf nicht flüchten.

2.) Es dürfen sich nicht mehr als drei Personen versammeln.

3.) Man darf nicht stehlen.

4.) Man muss dem Beamten der Nationalen Sicherheitsbehörde vollkommen gehorchen.

5.) Wenn man eine Person von Außerhalb oder einen Verdächtigen sieht, muss man ihn umgehend melden.

6.) Man muss sich untereinander kontrollieren und wenn man ein merkwürdiges Verhalten entdeckt, dies sofort melden.

7.) Die zugeteilten Aufgaben muss man mit vollem Einsatz ausführen.

8.) Außerhalb der Arbeit dürfen Männer und Frauen privat nicht miteinander in Kontakt treten.

9.) Man muss seine eigenen Fehler zutiefst bedauern.

10.) Bei Missachtung der Regeln und Vorschriften des Arbeitslagers, wird man sofort erschossen.
Shin hatte nie gelernt, die Lagerregeln zu hinterfragen. Als er mit 14 Jahren seine Mutter und seinen älteren Bruder bei einem Gespräch belauschte und daraus schloss, dass sie eine Flucht planten, verriet er sie an die Lagerleitung. Die ganze Familie wurde daraufhin festgenommen, es folgten sieben Monate grausamster Folter, die Shin nur mit Glück überlebte und die seinen Körper für immer gezeichnet hat. An dem Tag, als er und sein Vater aus dem Lagergefängnis entlassen wurden, mussten sie der öffentlichen Hinrichtung von Shins Mutter und Bruder beiwohnen.

Erst durch einen neuen Mithäftling erfuhr Shin als junger Erwachsener von der Welt außerhalb der Lagermauern und es reifte der Plan heran, aus dem Straflager zu fliehen. Im Januar 2005 starteten die beiden Männer ihren Fluchtversuch. Shins Mithäftling kam am elektrischen Zaun des Lagers dabei ums Leben, Shin jedoch gelang die Flucht.
Seit seiner Flucht lebt Shin Dong-hyuk in Südkorea und setzt sich für Menschenrechte in Nordkorea ein. Durch die Publikation seines Buches und den Dokumentarfilm über Strafgefangenenlager in Nordkorea konnte Shin weltweit die Aufmerksamkeit auf die Missstände in dem asiatischen Land lenken. Er spricht immer wieder zu diesem Thema auf Menschenrechtskonferenzen und trifft namhafte Politiker, wie Bundespräsident Joachim Gauck oder den amerikanischen Außenminister John Kerry, um sein Anliegen vorzutragen.
"Ich werde in viele verschiedene Länder zu Vorträgen eingeladen, um über die Menschenrechtslage in Nordkorea zu referieren und diese Einladungen hatten nicht nur den Hintergrund, dass ich meine persönliche Geschichte erzählen sollte. Ich möchte nicht nur über meine Erlebnisse berichten, sondern darauf aufmerksam machen, dass in Nordkorea sehr viele Menschen, genauso wie ich, in Lagern für politische Gefangene geboren werden, dort leben. Sie werden dort gefoltert und hingerichtet. Ich möchte möglichst viele Länder und auch die Vereinten Nationen dazu bringen, dass sie darauf hinwirken, dass diese Missstände behoben werden. Leider muss ich feststellen, dass trotz all meiner Bemühungen, auf die prekäre Menschenrechtssituation in Nordkorea hinzuweisen, sich sehr wenig verändert hat. Diese Diskrepanz macht mir persönlich emotional sehr schwer zu schaffen."

Doch auch Kritik muss sich Shin Dong-hyuk immer wieder stellen. Teile der von ihm geschilderten Geschichte werden von verschiedenen Seiten infrage gestellt und somit auch Shins Glaubwürdigkeit. So soll er die Nummer des Straflagers falsch angegeben haben und andere Teile seiner Geschichte, wie z.B. die Anzahl seiner Fluchtversuche, in unterschiedlichen Varianten erzählt haben. Shin selbst räumt ein, dass es Ungenauigkeiten in seiner Erzählung geben kann, beteuert aber, nicht gelogen zu haben.
"Das Buch und auch der Dokumentarfilm sind Versuche, über 20 Jahre meines Lebens komprimiert wieder zu geben. Es kann einfach nicht gelingen, alles en Detail richtig wieder zu geben. Wenn ich bei Reporterfragen darauf hinweise, dann stoße ich meistens auch auf Verständnis. Das einzige, was ich mir vorzuhalten habe, ist, dass ich mich in der Nummer des Gefangenenlagers geirrt habe, aber für mich persönlich spielt es keine große Rolle, ob es nun Nummer 14 oder Nummer 18 war. Fakt ist, dass ich in einem solchen Straflager zur Welt gekommen bin".
Shins Geschichte ist auch der nordkoreanischen Regierung nicht entgangen. 2014 hat es ein Propagandavideo veröffentlicht, auf dem Shins Vater zu sehen ist und die Darstellung seines Sohnes dementiert. Shin ist sich sicher, dass diese Aussage unter Zwang erpresst wurde.
"Vor zwei Jahren hat die nordkoreanische Regierung ein Propagandavideo veröffentlicht, in dem sie meinen Vater vorgeschoben hat, um die Existenz von nordkoreanischen Straflagern zu leugnen. Das war ein Schock für mich. Einerseits wurde mir klar, dass mein Vater noch lebte. Andererseits konnte ich sehen, wie gezeichnet mein Vater war von der Folter und den Schwierigkeiten, die ich ihm bereitet hatte. In dem Video konnte ich sehen, dass mein Vater gefoltert und politisch gefügig gemacht worden ist".
Nun ist Shin Dong-hyuk entschlossen, seinen Vater zu befreien. Er hat eine Petition ins Leben gerufen, mit der er Unterstützer für seinen Kampf sucht. Außerdem bereist er derzeit sämtliche europäischen Länder, wo die Republik Nordkorea eine diplomatische Vertretung hat. Sein Ziel ist es, seine Petition persönlich an einen Botschaftsmitarbeiter zu übergeben, bislang wird er aber schlicht ignoriert.
Auf seiner Reise durch Europa hat Shin Dong-hyuk bereits die nordkoreanischen Botschaften in London und Stockholm aufgesucht. Anlässlich seines Besuchs in Berlin, wo er ebenfalls vergeblich auf Einlass im nordkoreanischen Konsulat gehofft hat, hat Sputniknews-Korrespondentin Ilona Pfeffer ein Exklusiv-Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten aufgezeichnet.
Our Company

Exklusiv-Interview mit Shin Dong-hyuk

Shin Dong-hyuk
„Ich wünsche mir, dass man mir die Tür eines Tages aufmacht"
Ilona Pfeffer:
Herr Shin, seit dem Erscheinen Ihres Buches und des entsprechenden Dokumentarfilmes „Camp 14" im Jahr 2012 ist Ihre Geschichte weltweit bekannt geworden. Sie beschreiben darin Ihr Leben in einem nordkoreanischen Straflager, in dem Sie geboren wurden und bis zu Ihrem 24. Lebensjahr lebten. 2005 gelang Ihnen dann eine spektakuläre Flucht. Seitdem reisen Sie viel durch die Welt und erzählen Ihre Geschichte. Was erleben Sie dabei?
Shin Dong-hyuk:
Mein Buch „Camp 14" ist in deutscher Übersetzung erschienen und es freut mich ganz besonders, dass in Deutschland das Interesse an meiner Geschichte so groß ist. Es gab ja auch einen Dokumentarfilm über nordkoreanische Gefangenenlager. Ich werde in verschiedene Länder zu Vorträgen eingeladen, um über die Menschenrechtslage in Nordkorea zu referieren, und diese Einladungen hatten nicht nur den Hintergrund, dass ich meine persönliche Geschichte erzählen sollte. Ich möchte nicht nur über meine Erlebnisse berichten, sondern darauf aufmerksam machen, dass in Nordkorea sehr viele Menschen, genauso wie ich, in Lagern für politische Gefangene geboren werden, dort leben. Sie werden dort gefoltert und hingerichtet. Ich möchte möglichst viele Länder und auch die Vereinten Nationen dazu bringen, dass sie darauf hinwirken, dass diese Missstände behoben werden.

Leider muss ich feststellen, dass trotz all meiner Bemühungen, auf die prekäre Menschenrechtssituation in Nordkorea hinzuweisen, sich sehr wenig verändert hat. Diese Diskrepanz macht mir persönlich emotional sehr schwer zu schaffen.
“Nordkorea vergleiche ich mit der Hölle" — Shin Dong-hyuk
Ilona Pfeffer:
Sie haben unvorstellbares Leid erlebt und die etwa 200 000 Menschen, die weiterhin in diesen Lagern gefangen gehalten werden, müssen es weiterhin erdulden. Es ist sehr schwierig, sich die Lebensverhältnisse dort vorzustellen, wenn man niemals in einem Strafgefangenenlager war. Wie nehmen die Menschen Ihre Geschichte wahr, können sie das emotional verarbeiten?
Shin Dong-hyuk:
Ich war vorwiegend in den USA und in Europa unterwegs, also in Regionen mit einem hohen Grad an Freiheit und Demokratie. Die Besucher meiner Vorträge waren sehr interessiert und haben aufmerksam zugehört.

Dennoch musste ich feststellen, dass wenn ich die von mir erlittene Folter konkret beschrieben habe, sie es nur auf einer abstrakten Ebene verstanden haben. Diese Erfahrungen haben bei mir zu einem Umdenken geführt. Ich versuche nun nicht mehr, möglichst genau zu erklären, was ich während der Folter erlebt habe, sondern ich versuche, symbolische Bilder zu benutzen. Ich greife z.B. auf Begriffe aus der Bibel zurück: Himmel und Hölle. Lebende Menschen waren noch nie im Himmel, wollen aber dahin. Und Nordkorea vergleiche ich mit der Hölle.
Sie haben seit dem Erscheinen von „Camp 14" auch viel Kritik geerntet, Ihre Geschichte wurde von verschiedenen Seiten angezweifelt. Bei unserem letzten Gespräch vor einem Jahr sagten Sie, Sie wollten neue Beweise vorlegen und einen weiteren Film drehen, wo Sie Ihre Folternarben zeigen. Was ist aus diesem Vorhaben geworden?
Genau, vor etwa einem Jahr fingen viele Menschen an, mich als Lügner zu bezeichnen. Aber meine Lebensgeschichte war niemals eine Lüge. Wenn mir eine Frage wie eben gestellt wird, so antworte ich folgendermaßen: Das Buch „Camp 14" hat etwa 200 Seiten, der Dokumentarfilm 90 Minuten. Wenn ich aber irgendwo einen Vortrag halte, bekomme ich nur 60 Minuten Zeit. Das Buch und auch der Dokumentarfilm sind Versuche, über 20 Jahre meines Lebens komprimiert wieder zu geben. Es kann einfach nicht gelingen, alles en Detail richtig wieder zu geben. Wenn ich bei Reporterfragen darauf hinweise, dann stoße ich meistens auch auf Verständnis. Das einzige, was ich mir vorzuhalten habe, ist, dass ich mich in der Nummer des Gefangenenlagers geirrt habe, aber für mich persönlich spielt es keine große Rolle, ob es nun Nummer 14 oder Nummer 18 war. Fakt ist, dass ich in einem solchen Straflager zur Welt gekommen bin.

Die Fragen, warum ich dort geboren werden musste, warum ich gefoltert werden musste, sind für mich der Antrieb dafür, mich auch weiterhin an die nordkoreanische Regierung und ihre Botschaften zu wenden, um Antworten zu finden und mich für die Freilassung meines Vaters einzusetzen. Ich gebe offen zu, dass es einige Momente in meinem Leben gibt, die ich bewusst nicht in meinem Buch veröffentlicht habe. Das sind Stellen, die für mich beschämend sind oder wegen ihrer schieren Brutalität, wie beispielsweise bei den Folterungen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollten. Es schmerzt mich, dass aufgrund meiner Verwechslung der Lagernummer auch andere nordkoreanische Flüchtlinge als Lügner abgestempelt werden.
Vor einigen Wochen habe ich eine Email von einem koreanischen Reporter erhalten. Dieser Reporter bat mich um eine Stellungnahme, da er ein Paar nordkoreanische Flüchtlinge interviewt hatte und sich ihre Aussagen angeblich diametral von meiner unterschieden. Ich habe ihm gesagt, er könne schreiben, was er möchte und dass ich den Eindruck hätte, er wüsste bereits, in welcher Richtung er schreiben möchte. Ich habe ihn aber auch darum gebeten, mir die Namen der Flüchtlinge zu nennen, damit ich mich konkret mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen kann. Der Reporter hat nicht geantwortet und nach eigenem Gutdünken seinen Artikel verfasst. Ich sehe daher keine Notwendigkeit, mich mit jedem Vorwurf auseinandersetzen zu müssen, das ist Zeitverschwendung.

Momentan fahre ich mit dem Fahrrad durch Europa und habe mir zum Ziel gesetzt, sämtliche nordkoreanischen Botschaften aufzusuchen und überall meine Petition einzureichen, in der ich darum bitte, meinen Vater wiedersehen zu dürfen. Was ich die nordkoreanische Regierung fragen möchte, ist, wovor sie sich denn so fürchtet, dass sie mir jegliche Reaktion verwehrt. Wenn ich eine nordkoreanische Botschaft aufsuche, rufe ich dort vorher an, kündige meine Ankunft an, klingle dort, aber erhalte keine Reaktion. Mir ist es nur noch wichtig, meinen Vater zu sehen, alles andere interessiert mich nicht mehr.
Nun hatten Sie ja in „Camp 14" beschrieben, dass im Lager normale zwischenmenschliche oder familiäre Beziehungen gar nicht existierten und dass Sie gar nicht wussten, was ein normales Vater-Sohn-Verhältnis sei. Sie beschreiben auch, wie Sie Ihre Mutter und Ihren Bruder verrieten und diese deswegen hingerichtet wurden. Was hat sich für Sie in Bezug auf Ihren Vater verändert, was gibt Ihnen den Antrieb, jetzt für die Freilassung Ihres Vaters zu kämpfen?
Nach meiner Flucht bin ich nach Südkorea gekommen und habe mich dort knapp 10 Jahre lang für die Menschenrechte in Nordkorea eingesetzt. In dieser Zeit ist mir kein einziges Mal der Gedanke gekommen, mein Vater könnte noch am Leben sein. Ich bin davon ausgegangen, dass er sofort exekutiert oder zu Tode gefoltert wurde, nachdem ich geflohen bin. Ich habe 24 Jahre im Lager verbracht und danach knapp 10 Jahre in Freiheit. Das waren vollkommen gegensätzliche Lebensabschnitte und ich hatte gar nicht die Muße, über meine Gefühle nachzudenken und mich mit meinem Verhältnis zu meinem Vater auseinanderzusetzen. Vor zwei Jahren hat die nordkoreanische Regierung ein Propagandavideo veröffentlicht, in dem sie meinen Vater vorgeschoben hat, um die Existenz von nordkoreanischen Straflagern zu leugnen.
London
Das war ein Schock für mich. Einerseits wurde mir klar, dass mein Vater noch lebte. Andererseits konnte ich sehen, wie gezeichnet mein Vater war von der Folter und den Schwierigkeiten, die ich ihm bereitet hatte. In dem Video konnte ich sehen, dass mein Vater gefoltert und politisch gefügig gemacht worden ist. Meine Emotionen meinem Vater gegenüber würde ich als Dankbarkeit bezeichnen, Dankbarkeit dafür, dass er trotz allem noch am Leben ist. Auch wenn es viel zu spät ist und die Möglichkeiten sehr begrenzt sind, wollte ich unbedingt etwas unternehmen und habe mich zu dieser Petition entschlossen.
Das ist der Versuch, in irgendeiner Weise die Schmerzen meines Vaters zu lindern. Ich weiß nicht, was er mir gegenüber empfindet und ob er überhaupt immer noch am Leben ist, aber ich wollte es unbedingt versucht haben. In dem Propagandamaterial wird behauptet, meinem Vater gehe es gut und er habe ein schönes Leben in Nordkorea. Wenn das wahr ist, dann sollte es doch kein Problem sein, eine Begegnung zwischen meinem Vater und mir zu ermöglichen. Und das ist, was ich in meiner Petition fordere. Wenn ich an einer nordkoreanischen Botschaft klingle, dann können mich die Mitarbeiter über die Überwachungskamera sehen und erkennen, wer da steht.

Ich kann mir nicht erklären, wovor sie sich so fürchten, aber sie wollen mich nicht treffen. Ich habe darum gebeten, einem Botschaftsmitarbeiter persönlich meine Petition übergeben zu dürfen, aber nie eine positive Antwort erhalten. Ich denke, statt mich mit den Vorwürfen bezüglich des Wahrheitsgehaltes meiner Schilderungen zu beschäftigen, bringt es mehr, mich mit der nordkoreanischen Regierung auseinanderzusetzen. Ich fordere ja bloß ein Wiedersehen mit meinem Vater, ich will kein Schmerzensgeld für die erlittene Folter. Dafür, dass mir ein Finger abgeschnitten worden ist, oder dafür, dass sie mir die Fingernägel ausrissen… Ich will bloß meinen Vater sehen und wenn man mir diese kleine Bitte nicht erfüllen will, dann zeigt es doch das große Problem in dem nordkoreanischen Staat.
Berlin
Ilona Pfeffer:
Haben sie bei Ihrem Vorhaben denn irgendwelche Unterstützung, vielleicht auch durch Menschenrechtsorganisationen? Haben Sie Kontakt zu Flüchtlingen aus Nordkorea, die Sie verstehen und Ihnen helfen?
Shin Dong-hyuk:
Für das aktuelle Projekt möchte ich keine finanzielle Hilfe annehmen. Auch in den Medien habe ich nichts angekündigt, lediglich einige Bekannte aus den sozialen Netzwerken wissen von meiner Aktion. Es gibt auch ein Paar nordkoreanische Flüchtlinge, die mich verstehen und aufmuntern, nicht aufzugeben.
Shin Dong-hyuk:
„Wir sind hier, um das Universum einzubeulen. Wozu sollten wir sonst da sein?"
Ilona Pfeffer:
Als Ihre Geschichte bekannt geworden ist, wurden Sie von den nordkoreanischen Medien öffentlich verunglimpft und unter Druck gesetzt. Die Regierung in Nordkorea hat sicher mittlerweile auch Ihre aktuelle Aktion mitbekommen. Werden Sie erneut bedroht und in den Medien verunglimpft?
Shin Dong-hyuk:
Ich weiß nichts über die Medienaktivitäten in Nordkorea. Ich gehe davon aus, dass die nordkoreanische Regierung über meine Aktion Bescheid weiß, ich war ja schon bei der Botschaft in Stockholm. Ich finde es auch lächerlich, wenn man eine große Mediengeschichte aufzieht oder staatliche Maßnahmen verhängt, nur weil ein Sohn seinen Vater sehen möchte.

Bevor ich auf diese Radtour ging, haben viele Freunde versucht, mich davon abzuhalten, weil sie Sorge um meine Sicherheit hatten. Weil ich mich ja damit sichtbar machen würde und viel unterwegs sein würde, wo mich eventuell nordkoreanische Agenten angreifen könnten. Aber ich tue das für meinen Vater und sollte mir etwas zustoßen, so gibt es bestimmt auch andere nordkoreanische Flüchtlinge, die den Kampf um ihre Familien weiter führen würden.
Sie haben gerade den Sicherheitsaspekt erwähnt. Glauben Sie denn, dass durch Ihre Aktion Ihrem Vater etwas zustoßen könnte oder dass die nordkoreanische Regierung ihn als Druckmittel einsetzen könnte, um Sie aufzuhalten?
Ich kann nicht beurteilen, ob meine Aktion die Situation meines Vaters verbessern oder verschlechtern wird, aber ich muss wenigstens etwas unternehmen. Würde ich untätig bleiben, könnte ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Wenn es meinem Vater gut geht, wie behauptet wird, sollte ich ihn treffen können. Die Weigerung seitens der nordkoreanischen Regierung steht aber im Widerspruch dazu. Ich bin kein Politiker, ich kann keine Macht ausüben. Mein Vater ist auch kein Insider, der über brisantes Material verfügen würde. Wir sind gewöhnliche Menschen, Vater und Sohn. Wenn gewöhnlichen Menschen dieses einfache Glück verwehrt wird, dann zeigt es doch, wie verrottet dieses Regime ist.
Ilona Pfeffer:
Wo führt Sie diese Radtour noch hin und welche Hoffnungen verbinden Sie damit?
Shin Dong-hyuk:
Ich wünsche mir, dass man mir die Tür eines Tages aufmacht. Ich bin ja kein Terrorist, ich übe mit dieser Aktion auch keine Regimekritik. Einen konkreten Reiseplan gibt es nicht. Es sind viele Faktoren, die sich auswirken, wie das Wetter oder mein Gesundheitszustand. Ich kann also nichts Genaues über die nächsten Stationen sagen. Aber ich habe mir fest vorgenommen, sämtliche nordkoreanischen Botschaften in Europa aufzusuchen.
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  • Ilona Pfeffer
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