Genau, vor etwa einem Jahr fingen viele Menschen an, mich als Lügner zu bezeichnen. Aber meine Lebensgeschichte war niemals eine Lüge. Wenn mir eine Frage wie eben gestellt wird, so antworte ich folgendermaßen: Das Buch „Camp 14" hat etwa 200 Seiten, der Dokumentarfilm 90 Minuten. Wenn ich aber irgendwo einen Vortrag halte, bekomme ich nur 60 Minuten Zeit. Das Buch und auch der Dokumentarfilm sind Versuche, über 20 Jahre meines Lebens komprimiert wieder zu geben. Es kann einfach nicht gelingen, alles en Detail richtig wieder zu geben. Wenn ich bei Reporterfragen darauf hinweise, dann stoße ich meistens auch auf Verständnis. Das einzige, was ich mir vorzuhalten habe, ist, dass ich mich in der Nummer des Gefangenenlagers geirrt habe, aber für mich persönlich spielt es keine große Rolle, ob es nun Nummer 14 oder Nummer 18 war. Fakt ist, dass ich in einem solchen Straflager zur Welt gekommen bin. Die Fragen, warum ich dort geboren werden musste, warum ich gefoltert werden musste, sind für mich der Antrieb dafür, mich auch weiterhin an die nordkoreanische Regierung und ihre Botschaften zu wenden, um Antworten zu finden und mich für die Freilassung meines Vaters einzusetzen. Ich gebe offen zu, dass es einige Momente in meinem Leben gibt, die ich bewusst nicht in meinem Buch veröffentlicht habe. Das sind Stellen, die für mich beschämend sind oder wegen ihrer schieren Brutalität, wie beispielsweise bei den Folterungen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollten. Es schmerzt mich, dass aufgrund meiner Verwechslung der Lagernummer auch andere nordkoreanische Flüchtlinge als Lügner abgestempelt werden. |
Vor einigen Wochen habe ich eine Email von einem koreanischen Reporter erhalten. Dieser Reporter bat mich um eine Stellungnahme, da er ein Paar nordkoreanische Flüchtlinge interviewt hatte und sich ihre Aussagen angeblich diametral von meiner unterschieden. Ich habe ihm gesagt, er könne schreiben, was er möchte und dass ich den Eindruck hätte, er wüsste bereits, in welcher Richtung er schreiben möchte. Ich habe ihn aber auch darum gebeten, mir die Namen der Flüchtlinge zu nennen, damit ich mich konkret mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen kann. Der Reporter hat nicht geantwortet und nach eigenem Gutdünken seinen Artikel verfasst. Ich sehe daher keine Notwendigkeit, mich mit jedem Vorwurf auseinandersetzen zu müssen, das ist Zeitverschwendung. Momentan fahre ich mit dem Fahrrad durch Europa und habe mir zum Ziel gesetzt, sämtliche nordkoreanischen Botschaften aufzusuchen und überall meine Petition einzureichen, in der ich darum bitte, meinen Vater wiedersehen zu dürfen. Was ich die nordkoreanische Regierung fragen möchte, ist, wovor sie sich denn so fürchtet, dass sie mir jegliche Reaktion verwehrt. Wenn ich eine nordkoreanische Botschaft aufsuche, rufe ich dort vorher an, kündige meine Ankunft an, klingle dort, aber erhalte keine Reaktion. Mir ist es nur noch wichtig, meinen Vater zu sehen, alles andere interessiert mich nicht mehr. |