FOLGE VI
Export-Schlager „Tatort": Bald im russischen TV? – „Diese Länder schauen Kult-Krimi"
Wird auch in Osteuropa und Übersee geschaut: Nick Tschillers „Action"-Tatort. Bild: NDR
Der „Tatort": „Das ist ein ganz wichtiges Fernseh-Ritual", sagt Schauspielerin Anna Schudt (TV-Kommissarin Bönisch im Dortmunder Tatort-Team) über Deutschlands erfolgreichste Krimi-Reihe. Sputnik geht dem TV-Phänomen auf den Grund. In dieser Folge prüfen wir, wo der Tatort im Ausland gesehen wird. Dazu sprachen wir mit einem Marketing-Chef, der Tatort-Episoden des Norddeutschen Rundfunks (NDR) international vertreibt.
Alexander Boos
Die NDR-Tochterfirma „Studio Hamburg Enterprises" verkauft Episoden der beliebten „Tatort"-Krimi-Reihe ins Ausland. Und das mit Erfolg. „Wir sind vor allem in Osteuropa, den USA und in Großbritannien sehr erfolgreich", verrät deren Vertriebs-Chef Thore Vollert im exklusiven Sputnik-Interview. „Jetzt wollen wir auch in den russischen Fernseh-Markt."
Der deutsche Kult-Krimi sei ein fester Bestandteil nationaler wie internationaler Fernsehgewohnheiten. „Der Tatort ist ein Ritual für die ganze Nation: Familienübergreifend, generationenübergreifend", sagt Thore Vollert, Bereichsleiter für Marketing und Lizenzeinkäufe bei der NDR-Tochter „Studio Hamburg Enterprises", im Sputnik-Interview. Der Tatort reiche „vom Wohnzimmer bis in die Kneipen und zurück". Doch nicht nur hierzulande, sondern weltweit gebe es Tatort-Fans, die bei den spannenden Kriminalfällen mitfiebern und miträtseln.

Das Grundproblem sei, dass außerhalb des deutschsprachigen Raums die Marke „Tatort" so gut wie nicht bekannt ist. Daher gebe es beim Verkauf von Tatort-TV-Lizenzen an ausländische Fernsehstationen ganz bestimmte Strategien. Wie lassen sich andere Nationen für den Tatort begeistern?


Knifflig: „Tatort kennt man bei uns." Und im Ausland?

Da die Zuschauer im Ausland nicht mit dem „Immer-Wieder-Sonntags"-Tatort aufwachsen, könne der Hamburger Vertrieb die Krimi-Filme nur bedingt unter der in Deutschland bekannten Marke vertreiben. „Durch die Masse der Tatorte, die die ARD jedes Jahr produziert, gibt es sehr viele verschiedene Ermittler. Insofern haben wir uns vor einiger Zeit dazu entschlossen, das Ganze nicht übergeordnet unter derselben Dachmarke im Ausland zu vermarkten. Sondern wir sind dazu übergegangen, die einzelnen Eigenheiten der Ermittler-Teams – die Städte, die Regionen – entsprechend in den Vordergrund zu stellen." Daher platziere und vermarkte der Vertrieb die einzelnen Tatort-Episoden „als eigenständige Krimi-Reihen" bei den internationalen TV-Sendern.
Film-Szene aus dem neuesten Tatort: „Sonnenwende"
Foto: SWR
Beispielsweise werden alle Tatorte mit Til Schweiger in einer Reihe zusammengefasst. Genauso alle Hamburger Folgen mit Kommissar Falke, die gebündelt als Paket den ausländischen TV-Stationen angeboten werden. Das gleiche geschehe mit vielen anderen Tatorten. Im US-Fernsehen laufen die Til-Schweiger-Episoden teilweise unter dem Titel „Nick's Law" (dt.: Nicks Gesetz). Manchmal komme es aber auch vor, dass die Reihe unter dem englischen Label „Scene Of The Crime" (dt.: Tatort, Schauplatz des Verbrechens) ins Ausland verkauft werde.


„Internationale Tatort-Käufer nicht überfordern"

Weil die Tatort-Folgen mit Til Schweiger „eine fortlaufende Story erzählen, kann man sie gut in einem Programmpaket anbieten", so Vollert. „Ohne den jeweiligen Sender oder Abnehmer aus dem Ausland mit der großen Reihe ‚Tatort' zu überfordern."

Auch der „Tatort: Weimar" erzähle eine fortlaufende Geschichte und sei deshalb einfacher an ausländische TV-Anbieter zu verkaufen, weil diese dann das Filmprodukt auch einfacher beim heimischen Fernsehpublikum vermarkten können.


USA und England: „Action kommt sehr gut an"

„In den USA und in Großbritannien laufen die tafferen, die actionreicheren, die düsteren Tatorte besser", erklärt der Lizenz-Chef. „Weil sie natürlich dem klassischen Action-Thriller näher sind als die komplizierteren, langsamen, psychologischen Filme. Im britischen TV haben wir einen guten Erfolg damit gehabt, taffe Einzelgänger zu vermarkten." Darunter fallen laut ihm der frühere Hamburger Hauptkommissar und Falke-Vorgänger Cenk Batu (Mehmet Kurtuluş), der Kieler Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) sowie Nick Tschiller (Til Schweiger).
Beliebt auf der Insel: Hamburgs Ex-Hauptkommissar Cenk Batu (Mehmet Kurtuluş)
Foto: NDR
Die wirtschaftlich erfolgreichsten Exporte in die USA seien nach wie vor die Ermittler Borowski und Lindholm. „Wir haben Borowski- und Lindholm-Filme in die USA verkauft", verrät der Lizenz-Chef. „Und zwar an MHz Networks, das ist ein kleiner, feiner Pay-TV-Sender, der sich selber auf die Fahne geschrieben hat, hauptsächlich europäische Serien im Original-Ton mit Untertiteln zu zeigen. Was natürlich für den US-amerikanischen Markt erstmal ungewöhnlich erscheint. Aber die haben damit einen gehörigen Erfolg." Er verriet zudem, dass auch der humorvolle NDR-Ableger „Der Tatortreiniger" in Übersee auf interessierte Augen und Ohren stoße.


Osteuropa: „Lindholm und Falke sind Kassenschlager"

In Osteuropa sind vor allem die Fälle der Kommissare Lindhom, Falke, Borowski sowie Tschiller sehr erfolgreich. „Die laufen sehr gut in Tschechien, Litauen, Polen, Ungarn und werden je nach Land synchronisiert oder mit Untertiteln gezeigt." LKA-Frau Lindholm werde dort als starke Power-Frau wahrgenommen. Auch der actionreiche Ansatz eines Nick Tschiller gefalle dem osteuropäischen Publikum.
Erfolgreich in Osteuropa: Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) aus Niedersachsen
Foto: Das Erste (ARD)
Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) hat den Hamburger Tatort von Cenk Batu übernommen. „In einer etwas anderen Ausrichtung. Das kommt aber auch gut in Osteuropa an. Genauso wie Borowski mit seiner eher nordischen, psychologischen, düsteren Art, die man eher aus skandinavischen Krimis kennt."


Rest der Welt: „Südeuropa setzt auf Wiederholungen"

Wichtige Umschlagplätze für das Anpreisen und den Verkauf der TV-Marke Tatort sind die weltweit bedeutende Fernsehrechte-Messe MIPTV (Marché International des Programmes de Télévision; dt: Internationaler Markt für TV-Programme), die regelmäßig in der französischen Filmfestival-Stadt Cannes stattfindet, sowie deren Ableger, die MIPCOM als weltgrößte TV-Messe.

TV-Experten zufolge wird der Tatort momentan in rund 50 Ländern ausgestrahlt, darunter auch in Weißrussland und sogar in Australien. „Wir haben jetzt nicht so starke Verkäufe in den südlichen Ländern", sagt der Vertriebler Vollert. „Das hat zum Teil mit der dortigen wirtschaftlichen Situation derzeit zu tun, dass mehr auf Wiederholungen gesetzt und wenig frisches Programm dazugekauft wird."


„Russland als TV-Markt hochinteressant"

Im Verlauf des Interviews mit „Studio Hamburg Enterprises" wurde deutlich, dass der Vertrieb schon seit längerem plane, mit der Tatort-Reihe auch in den russischen Fernsehmarkt einzusteigen. „Da Osteuropa sehr gut und sehr stabil bei uns läuft, würden wir uns sehr wünschen, dass wir Russland als schönen und großen Film-Markt gewinnen könnten", sagte Lizenz-Chef Vollert. Der finale Tatort-Kinofilm „Off Duty" (2016) mit Til Schweiger, der im Vertrieb der „Warner Bros." im deutschsprachigen Europa zunächst auf den Leinwänden zu sehen war, soll „in Russland sehr erfolgreich" gelaufen sein.
Film-Plakat von „Tatort: Off Duty": Der Film lief 2016 erfolgreich in russischen Kinos.
Foto: Das Erste / Warner Bros Entertainment
Nun wolle das Hamburger Unternehmen die Tatort-Reihe auch im russischen TV zeigen:
Insofern würden wir uns sehr freuen, wenn wir Russland und die russischen Zuseher auch mit unseren Ermittlern und Inspektoren beglücken und erobern könnten.
Thore Vollert, „Studio Hamburg Enterprises"
Aktuell sei sein Vertrieb auf der Suche nach entsprechenden TV-Stationen und Fernsehmarktteilnehmern in Russland.
Das komplette Interview mit Thore Vollert („Studio Hamburg") zum Nachhören:

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Das Duo Tobler und Berg kehrt zurück: Wieder ein Einsatz im Schwarzwald
Foto: SWR
Am Sonntag, dem 13. Mai, läuft der Tatort „Sonnenwende" um 20:15 Uhr in der ARD, im ORF (Österreich) und im SRF (Schweiz). Die beiden Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) geraten in ihrem zweiten Fall heftig aneinander. Der Grund: Die älteste Tochter einer Bauernfamilie stirbt unerwartet. Der Verdacht einer Fehlbehandlung durch den zuständigen Arzt kommt auf. Die Zwei ermitteln vor Ort im Schwarzwald – und stoßen auf Ungereimtheiten.
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