Folge VIII
Geheimdienste, Agenten und Spione im Tatort: Zwischen Fiktion und Realität
Bild: ARD / Warner Bros.
Alexander Boos
Der „Tatort": „Ein ganz wichtiges Fernseh-Ritual", sagt Schauspielerin Anna Schudt (TV-Kommissarin Bönisch im Dortmunder Tatort-Team) über Deutschlands erfolgreichste Krimi-Reihe. In dieser Folge taucht Sputnik in die Schattenwelt der Geheimdienste ein. Wir besprechen Episoden des Kult-Krimis, in denen Geheimagenten und Spione eine tragende Rolle spielen …

Sogar James Bond war schon dabei. Agenten und Spione tauchen im Tatort „immer spektakulär auf", sagt Francois Werner. Der Kenner der Reihe erläutert für Sputnik spannende Folgen des Kult-Krimis, die im Agenten-Milieu spielen. „Vieles ist Fiktion, manches aber wahr", so ein ORF-Redakteur, der für den Wiener „Tatort" zuständig ist.

Im jüngsten Tatort aus Wien namens „Die Faust" (Januar 2018) gab es ein Verwirrspiel zu sehen, bei dem es um geheimdienstliche Auftragsmorde ging. Um anti-russische Propaganda sowie um die „Farben-Revolutionen" in der Ukraine, in Georgien und in Serbien. „Die Geschichte basiert lose auf diesen Revolutionsbewegungen", sagte ORF-Redakteur Bernhard Natschläger gegenüber Sputnik. „Der Autor Mischa Zickler hat sich aufgrund seiner intensiven Beschäftigung mit diesen Ereignissen davon inspirieren lassen." Natschläger war beim Österreichischen Rundfunk (ORF) für die Produktion der Folge mitverantwortlich. Der Film sei aber letztlich reine Fiktion, betonte er.
Wiener Agenten-Krimi: „Revolutionen" und die CIA

Um was ging es? In Österreichs Hauptstadt tauchen drei Leichen auf: Eine Ukrainerin, ein Georgier und ein Serbe. Was verbindet die drei Morde? Das Ermittler-Duo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) stößt auf Hinweise, dass es eventuell Killer der CIA gewesen sein könnten. Später beschuldigt ein Zeuge gar den russischen Dienst. „Die Russen?", fragt Fellner im Verlauf der Handlung. „Die Amerikaner", meint Eisner später.
Ritual- oder Agenten-Mord? Eisner und Fellner rätseln: Szene aus „Die Faust"
Bild: ORF / Das Erste
Die Spur führt zu einem Professor, der als Mittelsmann der CIA fungiert – und Hintermänner der vom US-Geheimdienst gesteuerten „Revolutionen" in Osteuropa eliminieren soll.

Die Bild-Zeitung fragte direkt nach der Ausstrahlung: „Wieviel Russen-Propaganda steckt im ‚Tatort'?" und ließ einen Osteuropa-Experten zu Wort kommen. Dieser behauptete, es gebe „keinen fundierten Beleg dafür, dass die CIA die Maidan-Bewegung angestiftet hat." Sputnik hakte beim ORF nach – und erhielt folgende diplomatische Antwort. „Dass über ein Stück Fernsehunterhaltung angeregt debattiert wird, ist zu begrüßen – zeigt es doch, dass der Film es offenbar zustande brachte, Gedanken anzustoßen und Diskussionen hervorzurufen", so „Tatort"-Redakteur Natschläger.


„Spektakulärer Mord": BND, Rebellen und Geiseldrama

Die Schattenwelt der Geheimdienste taucht laut Tatort-Experte Francois Werner „immer mal wieder" im Kult-Krimi auf. Wenn Agenten im Tatort eine Rolle spielen, sei es immer nervenaufreibend und voller Spektakel. „Der Kölner Tatort ‚Verrat' von 2002 beginnt gleich mit einem spektakulären Mord an einem Diplomaten", erinnerte der Gründer von „Tatort-Fundus.de" im Sputnik-Interview an eine ältere Folge.

Zur Handlung: Der im Auswärtigen Amt tätige Diplomat Böhling wird erschossen aufgefunden. Die Spur führt die Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) zu einem Mitarbeiter des BND. Dieser verrät den Kommissaren, Böhling habe eine tragende Rolle bei einer gescheiterten Lösegeldübergabe in Südamerika gespielt. In Kolumbien sollte er mit Geldern einer privaten Firma deutsche Geiseln aus der Hand kolumbianischer Rebellen befreien. Doch die Übergabe ging schief, es kam zu Schießereien, und alle Geiseln starben, während der Diplomat das Geld unterschlug. Hat womöglich eine Geisel überlebt? War der Mord an Böhling die Rache einer Frau, die dem Geiseldrama entkommen konnte?

Nick Tschiller (Til Schweiger) im Einsatz: Szene aus „Off Duty"
Bild: Das Erste / Warner Bros.

FSB-Agent hilft Tschiller – Folge: Ukraine verbietet Tatort

Der Tatort „Off Duty", der während der Fußball-WM in Wiederholung im Ersten lief, wurde 2016 innerhalb der Ukraine gesetzlich verboten und durfte nicht gezeigt werden. In der Episode reist Nick Tschiller (Til Schweiger) quer durch Europa, um seine entführte Tochter zu finden. Dabei erhält er Hilfe von einem Major des russischen Geheimdienstes FSB. Genau diese positive Darstellung eines russischen Agenten ist laut der ukrainischen Regierung auch der Grund für das Verbot des Films. Wegen des schwelenden Konflikts mit Russland wandern seit zwei Jahren alle Filme in der Ukraine auf dem Index, die „den russischen Staat positiv darstellen". Das besagt das sogenannte ukrainische Kinogesetz.

Wiener Agenten-Krimi: Israel jagt Physiker aus dem Iran

Blick zurück nach Wien: Das österreichische Ermittler-Team hatte schon einmal mit einem Geheimdienst-Fall zu tun. „Deckname Kidon" nennt sich der Tatort aus dem Jahr 2015. Es geht um ein angeblich geheimes iranisches Atomprogramm, um ermordete Wissenschaftler – und um eine geheime Spezialeinheit des berüchtigten israelischen Geheimdienstes Mossad.

Zur Handlung: Der iranische Nuklearphysiker Dr. Bansari stirbt unter mysteriösen Umständen. War es Selbstmord oder Mord? Schon bald stoßen Eisner und Fellner auf Aktivitäten einer israelischen Sondereinheit unter dem Decknamen „Kidon". Sie soll hinter der Ermordung verschiedener Leute stecken, die für ein geheimes Atomprogramm des Iran arbeiten sollen. Im Zuge ihrer Ermittlungen taucht ein zwielichtiger Waffen-Lobbyist auf, der es fast schafft, eine Dienstaufsichtsbeschwerde für Oberstleutnant Eisner zu bewirken. Doch kurz darauf steht auch der Lobbyist auf der Abschussliste des Mossad …


Die echte „Kidon-Einheit" im Mossad

Die Erstausstrahlung von „Deckname Kidon" erzielte am 4. Januar 2015 einen Marktanteil von 22,8 Prozent und wurde von 8,44 Millionen Zuschauern gesehen. Das liegt laut Werner auch an der realistischen Inszenierung der Episode. So nehme die Folge geschickt Bezug auf das tatsächliche Atomprogramm der Iranischen Republik. „Die Weltverschwörung ist so gewaltig, dass Eisner und Fellner diesmal ungewohnt betulich wirken mit ihrer Wärme, ihrem Grant und ihrem Blues, so ärgern sie sich mit Bezirkspolizisten rum", kommentierte die „Süddeutsche Zeitung" damals.

Ein weiteres pikantes Detail ist die Tatsache, dass „Kidon" (hebräisch für Speerspitze) auch in der Wirklichkeit der Name einer Spezialabteilung des Mossad ist. Sie führt laut eigenen Angaben Attentate unter höchster Geheimhaltungsstufe durch. Die Abteilung ging aus einer früheren Sondereinheit des Dienstes hervor. Diese war mit der Identifizierung und Tötung derjenigen Personen vertraut, die für das Münchner Olympia-Attentat im September 1972 verantwortlich waren. Damals hatte die palästinensische Terror-Organisation „Schwarzer September" elf israelische Athleten als Geiseln genommen. Beim missglückten Befreiungsversuch durch Polizei und Bundesgrenzschutz starben die Sportler, mehrere Geiselnehmer und ein Polizist. Später erhob Tel Aviv die Jagd auf die Drahtzieher der Aktion zur Staatsräson. Steven Spielberg schildert in seinem Kinofilm „München" (2005) detailliert und eindrucksvoll die damaligen Ereignisse.


Roger Moore als Gast-Star und „die böse" Katja Riemann

„Im Tatort ‚Schatten' von 2002 hat Roger Moore einen Gastauftritt", berichtet Werner. „Das war damals natürlich ein Clou: Den Star in unserer deutschen Lieblings-Serie zu sehen, der jahrelang den fiktiven britischen Agenten James Bond verkörpert hat." Im Rahmen der Handlung stößt Moore (spielte Agent 007 in „Moonraker", „Leben und Sterben lassen", „Octopussy") beim Bremer Sechstagerennen auf die norddeutschen Ermittler.
Die deutsche Star-Darstellerin Katja Riemann, „die man sonst nur als die Gute kennt, durfte sich in der Folge 877, ‚Die Wahrheit stirbt zuerst' von 2013 mal so richtig schön von ihrer bösen Seite zeigen", meinte Werner süffisant. „Sie spielt eine bitterernste BKA-Ermittlerin, die den Leipziger Kommissaren das Leben schwer macht."

Geheimdienstliche Aktivitäten haben laut Werner eine lange Tradition im Tatort. „Bereits in der Folge 254 namens ‚Camerone' spielte ein US-Schauspieler einen im Ruhestand befindlichen Geheimdienstoberst." Hollywood-Star Robert Vaughn („Mord ist ihr Hobby") mimt in der Episode von 1992 einen US-Colonel, der deutsche Fremdenlegionäre sucht, die einst seinen Bruder umbrachten.
Die Kommissare Klaus Borowski und Charlotte Lindholm gemeinsam in der 1000. Tatort-Folge
Foto: NDR
Am Sonntag, den 22. Juli, läuft der Tatort: „Taxi nach Leipzig" (in Wiederholung) um 20:15 Uhr in der ARD. Die beiden norddeutschen Ermittler Lindholm und Borowski finden sich nach einem Polizei-Seminar plötzlich in einem Taxi wieder, dessen Fahrer ganz eigene Pläne hat …
Made on
Tilda