REFERENDUM IM IRAKISCHEN KURDISTAN
Die Behörden von Irakisch-Kurdistan haben einseitig für den 25. September ein Referendum zur Abspaltung vom Irak angesetzt. Laut einem Sprecher der Demokratischen Partei Kurdistans wird das Referendum in allen von der autonomen Region kontrollierten Gebieten (Dohuk, Hawler, Sulaimani sowie Teile der Provinzen Kirkuk und Nainawa) und nicht nur in jenen, die offiziell zu ihr gehören, stattfinden.
"Es ist die Zeit für die Kurden gekommen, die Unabhängigkeit zu erklären. Doch wir wollen uns vom Irak auf friedlichem Wege, via Dialog und Verhandlungen abspalten."

Masud Barzani
Präsident
der autonomen Region Kurdistan
Die irakischen Kurden legten einen langen Weg zum Erhalt der Unabhängigkeit zurück, heute verfügt das Irakische Kurdistan über eine weitgehende Autonomie im Irak, hat eine eigene Armee und exportiert Öl.
REAKTION DER LÄNDER
„Meines Erachtens nach ist diese Verkündigung unannehmbar. Es ist seit Langem bekannt, dass die territoriale Integrität des Irak für uns ein sehr sensibles Thema ist. Ich denke, dass es absolut falsch ist, nach eigenem Ermessen in der Region vorzugehen, ohne Rücksicht auf die Sensibilität der Frage der territorialen Integrität des Irak und der Spezifik der Provinz Kirkuk."
Recep Tayyip Erdogan
Präsident der Türkei
„Die Entscheidung der Kurden-Autonomie, ein Referendum durchzuführen, ist falsch. Sie schafft Verunsicherung über die Zukunft des Irak und kann zu einer Katastrophe führen, die nicht nur die Kurden, sondern auch den gesamten Irak betreffen wird."
Mohammad-Dschawad Sarif
Iranischer Außenminister
„Wir rechnen damit, dass beim Treffen von endgültigen Beschlüssen alles einkalkuliert wird, was die politischen, geopolitischen, demografischen und wirtschaftlichen Folgen dieses Schritts betrifft, darunter unter Berücksichtigung davon, dass die kurdische Frage größer als die Grenzen des heutigen Irak ist und die Situation mehrere benachbarte Ländern betrifft."
Sergej Lawrow
Außenminister Russlands
„Zur Gewährleistung der Legitimität des Referendums ist dort die Präsenz von Beobachtern und Vertretern der Vereinten Nationen erforderlich. Es ist kaum wahrscheinlich, dass zum 25. September, wenn das Referendum stattfinden soll, seine Entsprechung der internationalen Gesetzgebung gewährleistet wird. Deswegen halten wir den gewählten Weg für sehr riskant. Nicht nur die USA, sondern auch andere Länder, die zur internationalen Koalition gehören, berichteten, dass sie das Referendum nicht unterstützen."
Brett McGurk
US-Sondergesandter in der internationalen Koalition im Kampf gegen den „Islamischen Staat"
„Israel, das gegen den Terrorismus kämpft, unterstützt die legitimen Versuche des kurdischen Volkes, einen eigenen Staat zu schaffen."
Benjamin Netanjahu
Premier Israels
„Wir werden die Schaffung eines zweiten Israels im Norden des Irak nicht zulassen."
Nuri al-Maliki
Vizepräsident und ehemaliger Premier des Irak
Geschichte
Nach dem Ersten Weltkrieg
1919-1920er – beginnt der Widerstand gegen die englische Besatzung, die vom kurdischen Scheich Mehmûd Berzincî angeführt wird, der die Schaffung eines unabhängigen Staates fordert.

1922 – Berzincî gründet das Königreich Kurdistan mit der Hauptstadt in Sulaimaniyya und erklärt sich zum König. Die zweijährige Existenz des Königreichs Kurdistan endete nach der Eroberung Sulaimaniyyas durch die Engländer.
1940er Jahre
1945 – ein Aufstand, begonnen von Mullah Mustafa Barzani, einem der Leiter des kurdischen Stammes Barzan, der die nördlichen Gebiete des Irak besiedelte.

1946 – mit Unterstützung der Sowjetunion wurde die Republik Mahabad mit Zentrum in der Stadt Mahabad (nördlicher Iran) ausgerufen. Barzani spielte die Schlüsselrolle bei der Schaffung dieses kurdischen Staatsgebildes. Doch im selben Jahr nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus dem iranischen Territorium wurde die Republik Mahabad aufgelöst. Mullah Barzani floh in die Sowjetunion.
1950еr-1960er Jahre
1958 kam es im Irak zu einem Militärputsch unter Leitung von General Abd al-Karim Qasim, bei dem die Monarchie gestürzt und die Republik Irak ausgerufen wurde. In der irakischen Verfassung wurden die Kurden erstmals als Volk anerkannt, das zur ethnischen Struktur der Bevölkerung des Landes gehört.

1961 - Nach der Rückkehr von Mustafa Barzani aus der Sowjetunion in den Irak begann unter den kurdischen Stämmen eine bedeutende Bewegung, die gegen die Bagdader Regierung gerichtet war. Die Bewegung unter Leitung von Barsani wurde in die Gebirgsregionen des Irak verlegt und hatte den Charakter eines bewaffneten Kampfes.
1970er-1980er Jahre
1970 –Saddam Hussein und Mustafa Barzani unterzeichnen eine Erklärung über die kurdische autonome Region.
Nachdem die Behörden in Bagdad 1975 die Bedingungen des Abkommens ignoriert hatten, nahmen Kurden den bewaffneten Kampf wieder auf. Während des iranisch-irakischen Kriegs 1980-1988 erlitten die Kurden, die auf der Seite Irans auftraten, bedeutende Verluste. Nach dem Ende des Kriegs wurde zwischen den kurdischen Aufständischen und der irakischen Zentralregierung ein Waffenstillstand geschlossen.

1988 – Peschmerga-Einheiten, die von der Patriotischen Union Kurdistans unter Führung von Dschalal Talabani kontrolliert wurden, unternahmen mit dem Abschluss einer Vereinbarung mit der iranischen Armee den Versuch eines Aufstands im Dorf Halabadscha. Daraufhin setzten die irakischen Behörden Chemiewaffen gegen die kurdischen Aufständischen ein, wobei 5000 Menschen ums Leben kamen.
1990er Jahre bis jetzt
Oktober 1991 – faktische Autonomie der Region Irakisch-Kurdistan ausgerufen

Juli 1992 – regionale Regierung des Irakischen Kurdistans gebildet

30. Januar 2005 – Kurdische regionale Administration des Irak ausgerufen

15. Oktober 1992 – Verabschiedung einer neuen irakischen Verfassung, in der das Recht des Irakischen Kurdistans verankert wurde, selbst über die Einnahmen vom Ölverkauf zu verfügen und ein eigenes bewaffnetes Volksheer (Peschmerga) zu haben. Artikel 140 der Verfassung räumt ein, dass es umstrittene Territorien gibt – Teile der Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Kirkuk und Ninawa, und sieht die Organisation eines Referendums über deren Selbstbestimmung bis spätestens 31. Dezember 2007 vor. Das Referendum wurde aber nicht abgehalten.
1990er-Jahre – aktuell
25. Juni 2009 – die Nationale Versammlung des Irakischen Kurdistans verabschiedet einen neuen Entwurf der Verfassung der Autonomie, die die Aufnahme eines Teils der umstrittenen Territorien, darunter Kirkuks und einiger Teile der Provinzen Ninawa und Diyala, vorsieht.

25. Juli 2009 – Parlamentswahl im Irakischen Kurdistan. Am selben Tag findet zum ersten Mal in der Geschichte der Kurden eine direkte Präsidentschaftswahl statt. Zum Präsidenten wird Masud Barzani gewählt.

27. Juni 2014 – Masud Barzani erklärt, dass das Irakische Kurdistan Artikel 140 der irakischen Verfassung nicht mehr akzeptiert, und die umstrittenen Territorien würden dem Irakischen Kurdistan angehören.

3. Juli 2014 – Masud Barzani tritt im Parlament der Autonomie auf und äußert die Initiative zu einem Referendum über die Abtrennung vom Irak.

September 2017 – ein Referendum über die Unabhängigkeit der Kurdischen regionalen Administration des Irak wird geplant.
„Wollen Sie, dass das Irakische Kurdistan und die kurdischen Territorien außerhalb des Irakischen Kurdistans ein unabhängiger Staat werden?"
Auf diese Frage, die in vier Sprachen (Kurdisch, Arabisch, Turkmenisch und Assyrisch) übersetzt wurde, sollen die Menschen mit Ja oder Nein antworten.
Das Parlament des Irakischen Kurdistans billigt am 15. September die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums.
25. Internationales Festival der kurdischen Kultur in Köln.
Irakisches Kurdistan im Irak
BEVÖLKERUNG
Irak: 37 Millionen Menschen
Irakisch-Kurdistan: 5 Millionen Menschen
FLÄCHE
Irak: 438 318 Quadratmeter
Irakisch-Kurdistan: 78 736 Quadratmeter
BIP
Irak: 165,1 Milliarden Dollar
Irakisch-Kurdistan: 23,6 Milliarden Dollar
BIP PRO KOPF
Irak: 4455 Dollar
Irakisch-Kurdistan: 7700 Dollar
GASVORRÄTE
Irak: 3 819,9 Milliarden Kubikmeter
Irakisch-Kurdistan: 2,83 Billionen Kubikmeter
ÖLVORRÄTE
Irak: 148,766 Mio. Barrel
Irakisch-Kurdistan: 45 Milliarden Barrel
Kundgebung für Unabhängigkeit Kurdistans in Schweden
Kundgebung für Unabhängigkeit Kurdistans in Erbil (Hauptstadt von Irakisch-Kurdistan)
Wirtschaft
Wichtigste Wirtschaftsbranchen des Irakischen Kurdistans
Verkauf von Kohlenwasserstoffen
In Irakisch-Kurdistan betragen die erkundeten Gasvorräte etwa 90 Prozent aller irakischen Vorräte.
Landwirtschaft und Viehzucht
In Irakisch-Kurdistan werden Weizen, Gerste, Tabak, Baumwolle und Früchte angebaut.
Textil-, Nahrungs-, Bauindustrie
In der Region wird auch Zement produziert.
Rohstoffe
Marmor, Eisen, Nickel, Kohle, Kupfer, Gold, Kalkstein, Zink. In Erbil befindet sich das weltweit größte Schwefelvorkommen.
ZAHLENMÄßIGE STÄRKE DER STREITKRÄFTE
Zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte des Irak
Rund 298 000
Davon 168 000 mobilisierte Soldaten des Iraks und rund 130 000 vom Volksheer al-Haschd asch-Schaʿbī.
Zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte des Irakischen Kurdistans
Rund 230 000
Peschmerga
Peschmerga
Irakische Armee
Produktion von Kohlenwasserstoffen im Irakischen Kurdistan
Manche Unternehmen kooperieren mit dem Irakischen Kurdistan bei der Erschließung, Förderung, Infrastruktur, Logistik und beim Absatz von Kohlenwasserstoffen. Nach Einschätzung der Regierung Kurdistans belaufen sich die regionalen Vorräte auf 45 Milliarden Barrel Öl (mehr als 6 Milliarden Tonnen).
2,83 Billionen Kubikmeter
Gasvorräte im Irakischen Kurdistan
45 Milliarden Barrel
Ölvorräte im Irakischen Kurdistan
530 000 Barrel pro Tag
Ölförderung im 1. und 2. Quartal 2017
300 000 – 350 000 Barrel pro Tag
Ölexport im 1. und 2. Quartal 2017
ZAHL DER KURDEN IN VERSCHIEDENEN LÄNDERN

(Prozent von der Gesamtzahl der Bevölkerung des jeweiligen Landes)
Türkei
14,7 – 15 Millionen
18,8 Prozent
Iran
8,1 – 10 Millionen
12 Prozent
Irak
5,5 Millionen– 8 Millionen
20 Prozent
Syrien
1,7 Millionen – 3 Millionen
15,8 Prozent
Text und Design
Bratinkowa Anna
Durnew Maxim
Fotos, Video, Quellen
Sputnik (Evgeniy Biyatov, İgor Ageyenko, Lev Nosov, Maxim Blinov, Aleksey Nikolskyi, Alexei Danichev, Hikmet Durgun), AFP (Atta Kenare, Safin Hamed, Khaled Desouki, Ali al-Saadi, Fabrice Coffrini, Safin, Marwan İbrahim, Delil Souleiman, Aris Messinis, Ahmad al-Rubaye, Khalil Mazraawi),

REUTERS (Jack Guez, Jonathan Ernst, Ari Jalal, Azad Lashkari, Ümit Bektaş, David Mdzinarishvili, Sergei Karpukhin, Ako Rasheed, Alexei Druzhinin), AP Photo (Vadim Ghirda, Alex Brandon, Hasan Jamali, Ebrahim Noroozi, Mark Lennihan, Bilal Hussein, Michael Probst), AA (Yunus Keles), Kremlin, Google Maps, Wikipedia, flickr (Paul Lowry)
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